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24.08.2019 - Fazit : Mensch : Gerettet
+++ Verkehrsunfallrettung : Fokustraining für Einsatzkräfte , Rettung trainieren +++
Die Anzahl der Verkehrstoten nach Verkehrsunfall in Niedersachsen steigt aktuell wieder. Im ersten Halbjahr 2019 sind wieder mehr Menschen auf Niedersachsens Straßen gestorben (193). Dabei kommen verschiedene Parameter zu tragen…
Gutes sonniges Wetter, oder schlechte Wetterlage, mehr oder weniger Baustellen im Verkehrsbereich, wie meistens überhöhte Geschwindigkeit, zu geringer Sicherheitsabstand, Raserei oder erhöhtes Verkehrsaufkommen zur Urlaubszeit, große Anzahl von LKW auf den Straßen oder Handyspielerei (Abgelenktheit) am Steuer - alles können Gründe dafür sein.
In den 1930 ´er Jahren lag die Anzahl von Todesopfer um die 7000 Personen in Deutschland, in den 1970 ´iger Jahren waren schon über 21. 000 Verkehrsunfallopfer in Deutschland zu beklagen. Ab da an zogen Gurtpflicht (1976), passive und aktive Sicherheitseinrichtungen bei Fahrzeugen immer besser, sodass man aktuell unter 3500 Unfallopfer p.a. in Deutschland ist.
Zunehmend stockener Verkehrsfluss, Zunahme der LKW/ PKW Fahrzeuge, immer mehr nebenbei Informationsmittel für Fahrer (z.B. Handy, Tablet), demografischer Wandel bei Fahrzugführern oder einfach abgelenkte Verkehrsteilnehmer verursachen zunehmend auch temporäre, volatile Zahlen bei den Unfallopfern in Deutschland.
Für die Feuerwehren ist die Unfallrettung aus Verkehrsmittel seitens den Mitte der 70 ´iger Jahren keine Ungewöhnlichkeit. Training mit den 1975/76 in Deutschland eingeführten hydraulischen Rettungsgeräten gehört auch heute (2019) zum Standardrepertoire jeder Schwer- und Stützpunktfeuerwehr.
Am Samstag Vormittag trafen sich zum wiederholten male Bissendorfer Einsatzkräfte, um sich der Thematik Verkehrsunfallrettung intensiv zu widmen. Einen ganzen Tag lang wollte man sich unter Führung von Holger Bauer mit der neuen Weber Technik auf dem HLF vertraut machen, neue Technologien kennenlernen und richtige Vorgehensweisen bei der Menschenrettung trainieren. Neben vielen organisatorischen Maßnahmen und Übungsfahrzeugen konnte die Aktion am frühen Morgen starten.
Das geplante einsatzorientierte Fokustraining (EFT) bringt dabei wesentliche Vorteile. Theoretische und praktische Kenntnisse werden inhaltlich, Zug um Zug, verzahnt und bleiben bei ehrenamtlichen Kräften der Feuerwehr besser im Gedächtnis. Zudem bringt die zeitliche, am Ausbildungstag gedehnte, Fokussierung auf die Verkehrsunfallrettung einen fachlichen Lernvorteil, da man länger im Thema bleiben kann - und so mehr lernt. Die praktische Session im Anschluss, bietet allen Teilnehmern dabei persönliche, fachliche und wertvolle Trainingsinhalte - zum verinnerlichen, sodass diese im realen Einsatzverlauf schneller und sicherer abgerufen werden können.
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Nach einem einführenden, gemeinsamen Frühstück wurden 30 Minuten theoretische Grundlagen vermittelt. Dabei sind Grundlagen der Verkehrsunfallrettung eine absolute Voraussetzung für korrektes und richtige Vorgehen im Patientensinn. Golden Hour of Shock, UVV hydraulische Rettungsgeräte, Standardeinsatzregel (SER) Unfallrettung Bissendorf, 6-Phasen Modell, Aufgaben des Safety Man oder Rettungsmodus bei patientenorientierter und verletzungsmusterangepasster Rettung wurden intensiv und aktiv angesprochen.
Das arbeiten in Arbeitskreisen hat sich deutschlandweit strukturell durchgesetzt. 5m und 10 m Arbeitskreise um das Unfallfahrzeug, Schrottablage und etwaige temporäre Sammelstellen für Patienten sind mehr als empfehlenswert. Die Geräteablage als Plane in Farbe gelb und die Sanitätsablage in Plane als Farbe weiß haben sich in Bissendorf seit langen Jahren in der Stützpunktfeuerwehr Bissendorf durchgesetzt.
Das Hauptaugenmerk lag aber an diesem Unfallrettungs-Tag auf der Rettung von Menschen aus total zerstörten Unfallfahrzeugen. Bei sehr heißen Außentemperaturen über 30 Grad mussten die Bissendorfer Einsatzkräfte mehrere Einsatzszenarien durchlaufen. Eine absolut nicht einfache Unfall - Situation …
Herausfordernde Einsatzlagen spielen in der Feuerwehr Ausbildung eine wesentliche Rolle. Zu einfache oder unstrukturiert durchgeführte Einsatzabläufe erzeugen bei den Feuerwehr Einsatzkräften falsches Verhalten und begünstigen Fehlverhalten in Übung und Einsatz. So wurden nur ausgesuchte Szenarien vorbereitet - mit der ausdrücklichen Option aus Skalierbarkeit.
Standard auf allen vier Rädern, Grundlagen
Der erste Standard Pit auf allen vier Rädern bezog sich auf eine einfache Unfallsituation, wie sie jeden Tag auf den Landes- und Bundesstraßen vorkommen kann. PKW Kollision mit einfacher Intrusion der Fahrerkabine. Die Türen lassen sich komplett nicht mehr öffnen, die Insassen sind eingeschlossen, nur wenig im Fußbereich eingeklemmt.
Zunächst aber wurde die neue gelbe Geräteablage mit den notwendigen Einsatzmitteln gefüllt. Die Geräteablage ist größer geworden, so der erste Eindruck der Teilnehmer. Die aufgebrachten Utensilien aber sind auch mehr geworden, sodass die Geräteablage gut gefüllt war.
Nachdem alle Möglichkeiten der Türentnahme von Holger Bauer wiederholt wurden, konnte praktisch am Unfallfahrzeug losgelegt werden. Die Türen der Beifahrerseiten wurden entnommen, dabei zeigten sich die verbesserten Leistungsparameter des hydraulischen Schneidgerätes. Größere Schnittweiten und mehrstufigen hydraulikstufen taten ihr gewolltes Tageswerk. Die Türen waren schnell entnommen, V Schnitt an der Oberkante des Daches waren angezeichnet und zielgerichtet fix durchgeführt. Anschließend wurde bewusst die B-Säule der Beifahrerseite entfernt, um ohne ein Widerlager mit dem Schwelleraufsatz arbeiten zu müssen.
Angenommen wurde ein Einklemmung des Beifahrers im Fußbereich, also wurde Fußfenster mit Schere und aufklappen mit dem Spreizer durchgeführt - was problemlos klappte. Der folgende Schnitt mit der Schere in der Höhe 2/3 Höhe A-Holm und das asynchron vorklappen des Vorderwagens klappte nach korrektem tieferen Ansatzpunkt am A-Holm, sodass sich der Vorderwagen nach vorne schob. Dabei riss gewollt sie Verbundsicherheitsglas (VSG) Frontschutzscheibe und es entstanden 5 -10 cm Freiraum zur Patientenentnahme. Works as Designed !
Während der Rettungsarbeiten am Fahrzeug wurde auf die Sicherheit der Vorgehensweise und der Einsatzkräfte ein besonderer Wert gelegt. Der eingeteilte Safety Man (Sicherheitsassistent) wachte ständig auf stabile Unterbauung des Fahrzeuges, wiese Einsatzkräfte auf verbesserte sichere Vorgehensweisen hin und säuberte den Wirkbereich von schädlichen Stoffen. So konnten die eingesetzten Einsatzkräfte sicher und kompetent vorgehen…
Auf der Fahrerseite wurde eine Komplette Seitenraumöffnung realisiert, indem die hintere Türgeöffnet, B-Säule unten eingeschnitten und mit dem hydraulischen Spreizgerät die B-Säule weggedrückt wurde.
Der eingeteilte Innere Retter hatte derweil die Aufgabe alle schädlichen Bewegung oder Intrusionen vom Patienten fernzuhalten. Mittels transparenter Folie, dem weichen Patientenschutz und der Kommunikation mit dem Außenteam wurde dem Patienten die Vorgehensweise bewusst kommuniziert und er wurde während der Rettungsarbeiten betreut.
So konnte mit der Fahrertür der gesamt zusammenhängende Seitenbereich nach vorne geklappt werden. Es entstand auf der Fahrerseite ein umfänglicher Arbeitsraum, um den Fahrer mittels Spineboard, immobilisert und axial aus dem Fahrzeug entnehmen zu können - eine an diesem Tage mehr als schweißtreibende Aufgabe.
Folgend wurde noch die VSG Scheibe mittels Säbelsäge horizontal zertrennt und das Dach des Fahrzeuges komplett abgenommen.
Seitenlage auf Fahrerseite, im Fußraum eingeklemmt.
Gute Widerlager und sehr gute Fahrzeugstabilisierung und Unterbauung sind Grundvoraussetzung bei der erfolgreichen Unfallrettung von Eingeklemmten. In den einzelnen Rettungsmodi können die eingesetzten Rettungskräfte nur so sicher arbeiten, wie es die sichere Stabilisierung hergibt. Ob Vierpunkt Stabilisierung unter A und B-Säule, oder seitliche Abstützung mittels Stabfast System - alle Rahmenbedingungen wurden am praktischen Modell trainiert.
Die zweite Unfallsituation brachte ein gegen ein Baum gepralltes Fahrzeug, im Dachbereich stark deformiert, das Fahrzeug lag auf der Fahrerseite. In Seitenlage. Zunächst wurde das Fahrzeug von den Einsatzkräften maximal stabilisiert. Dabei zeigte das Stabfast Sytem seine Stärken. Schnell ausgepackt und sicher ausgefahren und korrekt installiert konnte es am Unfallfahrzeug angebracht werden. Auf der anderen Fahrzeugseite durch weitere Holzkeile und Holzunterbau gesichert konnte auch hier mit der Rettung vorangegangen werden.
Der Fahrer war im Beinbereich eingeklemmt, der Oberkörper des Patienten war eingeschränkt durch das eingedrückte Dach mit Schiebedach - insgesamt war schwer an den Fahrer heranzukommen. Nach dem gelernten 6-Phasen Modell der Unfallrettung wurde zunächst die Erstöffnung durch die Frontschutzscheibe geschaffen. Der Patienten konnte erstversorgt werden.
Parallel wurde der Rettungsplan A zur Menschenrettung entworfen. Einsatzleiter und Leiter technische Rettung erarbeiteten gemeinsam mit dem Gerätetrupp einen Rettungsplan, welcher praktisch umgesetzt wurde. Immer im Augenmerk auch einen Plan B und C in der Tasche zu haben - falls die erste Grundannahme aus unerfindlichen Gründen nicht funktioniert.
Man entschied sich zeitnah das Dach des Fahrzeuges zum Boden hin ab- bzw. wegzuklappen somit ausreichend Platz für die Versorgungsöffnung zu bekommen. Die zerstörten C/B/ und A-Säule wurde oberhalb auf der Beifahrerseite durchtrennt, Entlastungsschnitte an den unteren Holmen wurden durchgeführt, sodass sich das Dach nach unten klappen ließ.
Nach dem herunterklappen des Daches wurden die Sicherungmaßnahmen mittels Schutzdeckenset durchgeführt. Scharfe Kanten, Glaskanten und scharfe , abgetrennte Fahrzeugkomponenten konnten die Einsatzkräfte somit nicht mehr verletzen.
Der Fahrer war noch im Fußbereich durch Pedale und Armaturenbrett eingeklemmt. Die Einsatzkräfte entschieden das Lenkrad, über die Motorhabe hinweg, nach vorne zu ziehen. Dazu wurde der Kettensatz mittels Spreizer lang ausgespannt und sowohl am Lenkrad, als auch an der Vorderachse stringent befestigt. Durch das zusammenfahren des Spreizers konnte so ca. 15 cm Freiraum für den Patienten geschaffen werden, sodass dieser immobilisiert und axial aus dem Fahrzeug entnommen werden konnte.
Im Feedbackgespräch wurden die Erkenntnisse und Erfolge reflektiert, die Herausforderungen exakt angesprochen und so die Vorgehensweise gefestigt.
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Eingedrücktes Dach - mach die Muschel
Das Szenario brachte ein komplett runtergedrücktes Dach mit sich. Der Fahrer lag auf seinem Fahrersitz, das Dach auf dem Kopf gepresst. Beide Türen und Heckklappe des Opel Corsas ließen sich nicht mehr öffnen. Das Fahrzeug stand auf allen vier Rädern.
Zunächst wurde das Fahrzeug stabilisiert, mittels Holzunterbau und Holzkeilen. Die Erkundung ergab, dass der Fahrer ansprechbar war, aber über Schmerzen im Rücken klagte,
Der Einsatzleiter entscheid zunächst die Türen zu öffnen und anschließen das Fahrzeug in seine Ursprungsform zurückzupressen. Dann sollte das Dach Richtung Beifahrerseite abgeklappt werden. Während der innere Retter den Patienten betreute konnten die Türen als Erstöffnung geöffnet werden.
Folgend wurden auf der Fahrerseite alle Holme durchtrennt und mittels Teleskoprettungszylinder das Dach Richtung Beifahrerseite bewegt - bis zur maximalen Rettungslänge des Zylinders. Als Widerlager wurde der Mitteltunnel genutzt. Es wurde auf die Standfestigkeit des Widerlagers geachtet, um das Rückfedern des bewegten Teils zu verhindern. Sowohl geöffnete Türen, als auch Dach wurden folgend mittels Leinen bzw. Seilzugratschen gesichert.
Im weiteren Verlauf wurde zu Übungszwecken eine Dritte Tür in den Bereich hinter dem Fahrersitz implementiert. Senkrechte Schnitt weit hinten - so tief wie möglich, ein weiterer Schnitt am B-Holm Richtung Heck - dann wurde mittels Spreizer das Seitenteil nach unten gebogen. Es entstand eine große Seitenwandöffnung, über den der Fahrer (mit nach hinten gedrehter Rückenlehne) über Spineboard entnommen werden konnte.
Treffer auf der Fahrerseite
Das Unfallszenario brachte eine Kollision zweier Fahrzeuge. Ein PKW traf eine A-Klasse direkt auf der Fahrerseiten und drückte dessen Seitenteil auf der Fahrerseite ca. 60 - 70 cm ein. Der Fahrer war auf seinem Fahrersitz eingeklemmt und beide Türen samt Fahrzeugdach wurden bei der Kollision extrem verformt. Das Fahrzeug stand auf den vier Rädern - der Fahrer konnte sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien.
Es folgte wie im Training gelernt die Stabilisierung mittels StabPack und weiteren Holzkeilen. Ziel war es zunächst die Struktur der Fahrerkabine in den Ursprungszustand zurückzuversetzen, da diese Richtung Unterboden gedrückt war.
Der Zugang zum Patienten wurde über die Fahrzeugtür mittels Spreizer geschaffen. Dabei wurden die vorhanden Ansatzpunkte genutzt, um die Fahrertür aus der Seitenkonstruktion zu entnehmen. Als diese entfernt war, konnte Kontakt zum Fahrer aufgenommen werden. Der Zugang zum Beinbereich war freigelegt, erste Schutzmaßnahmen für den Patienten konnten vorgenommen werden. Helm, weicher Patientenschutz und transparente Patientenschutzfolien sind hierbei die richtigen Mittel der Wahl.
Mit dem hydraulischen Schneidgerät wurden folgend die Trennschnitt des Daches durchgeführt. Ziel war es hier, dass Dach des Fahrzeugs nach vorne weg zu klappen. Die Holme wurden durchtrennt - das Dach nach vorne über die Motorhaube gehoben und gesichert. In der Folge musste der Fahrer aus seine Zwangslage befreit werden, indem mit dem hydraulischen Teleskoprettungszylinder die Fahrerseite nach außen gedrückt wurde. Ein passendes Widerlager auf der Beifahrerseite war schwer zu finden - oder nicht tragfähig genug. Zudem war die Rettungslänge des eingesetzten Rettungszylinders zu kurz.
Als Plan B wurde die B Säule auf der Fahrerseite komplett entnommen, anstatt diese wegzudrücken. Weiterhin wurde bei den Fünftürer die Tür hinter dem Fahrer entfernt und auf die Schrottablage gelegt. Nachdem der Freiraum auf der Fahrerseite realisiert wurde, konnte der Patient immobilisiert, auf dem Spineboard axial entnommen werden.
Fazit: Bei allen durchgeführten Unfall - Übungsszenarien am Tag, hat die anwesende Einsatzmannschaft ihre Leistungsfähigkeit bewiesen. Bei Sommertemperaturen über 30 Grad waren alle vier durchgeführten Rettungsmechanismen herausfordernd bis schwer. Die mit dem HLF eingeführte neue Rettungstechnik vom Hersteller Weber ist für die Verkehrsunfallrettung geeignet - hat verbesserte Leistungsparameter - und ist im Handling einwandfrei. Die gelbe Geräteablage und weiße Sanitätsablage werden in der FF Bissendorf beibehalten und bieten weiterhin gute Einsatzstellen - Organisationsstruktur.
Der Plan B/C zur Rettung bei eingeklemmten Personen kann Leben retten, die eingeführte Standard Einsatz Regel (SER) Verkehrsunfall in Bissendorf funktioniert nach 6 Phasen Modell VU Konzept Wedemark (nach Weber). Das einsatzorientierte Fokustraining hat sich, auch für die Zukunft, in Bissendorf als sinnvolle und professionell Vorgehensweise etabliert.
Der Dank an dieser Stelle geht an alle beteiligten Stellen und Verantwortlichen, ohne die eine solche professionelle Tagesveranstaltung nicht in diesem fachlichen Umfang und nicht in der inhaltlichen Detailtiefe möglich gewesen wäre.
© Bild,Text: Holger Bauer
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