Einführung
Seit dem 31.05.2019 hat die Gemeinde Wedemark (NI) das neue HLF 20 an die Stützpunktfeuerwehr Bissendorf / Scherenbostel übergeben. Der Empfang am Freitag Nachmittag vor dem Bissendorfer Feuerwehrhaus war mehr als herzlich, viele aktive Kameraden waren zur Begrüßung anwesend. Fünf Monate später - viele neue Erfahrungen und jede Menge Veränderungen und Nacharbeit. Hier ein kurzer unvollständiger Erfahrungsbericht.
Die Stützpunktfeuerwehr hatte in den vergangenen Jahren neben einem Löschgruppenfahrzeug LF 8/6 auch ein Rüstwagen 1, aus alten Bundbeständen. Die Fahrzeuge waren teilweise abgängig - es fehlten Ersatzteile waren zu klein Dimensioniert, für die kommenden Anforderungen unpassend, sodass eine Ersatzbeschaffung geplant wurde. Die Wahl fiel auf ein Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug HLF 20, auf 18 Tonnen Fahrgestell, vom Hersteller MAN 18.340, auf EURO 5, und dem Aufbauhersteller WALSER aus Österreich, Rankweil.
Die Arbeitsgruppe
Eine Arbeitsgruppe von Einsatzkräften der Ortsfeuerwehr Bissendorf hatte sich monatelang mit dem Fahrzeug, den nötigen Spezifikationen, der Beladung und den nötigen Anforderungen der Zukunft auseinandergesetzt. Die Aufteilung war klar: Ein Kamerad kümmerte sich um die technischen Belange des kommenden Fahrzeugs, ein weiterer um die Taktischen und Qualitätsthemen.
Ortsbrandmeister Christian Renders und sein Stellvertreter Dirk Schütte steuerten die Kommunikation zur Gemeindefeuerwehr, welche ebenfalls eingeunden waren. Einige erfahrene Bissendorfer Kameraden unterstützten mit Know How und Informationstechnik. Was sollte auf dem Fahrzeug landen, was wurde nicht so oft gebraucht ? Der Beladeplan entstand - in vielen Stunden ... und in vielen Diskussionen - mit vielen Gedanken.
Das Fahrzeug
Das HLF 20 machte (wie meist alle neuen Fahrzeuge) auf den ersten Blick einen Pluspunkt. An die Anforderungen der Zukunft angepasste Größe des Fahrzeugs - die geplante Beladung passte ins Fahrzeug und die Gruppenbesatzung waren bekannt. Der erste Rundgang um das geöffnete Fahrzeug brachte neben neuen Beladungsplätzen auch einige neue Technik mit sich. Neue Heckpumpe, neue Gruppenkabine, neue Schiebleiter, Navigationsgerät, neuer hydraulischer Rettungssatz nebst Zubehör, Teklite Lichtmast sowie insgesamt neues Fahrgefühl und auffälligere Lackierung und Konturmarkierung waren Ende Mai leibhaftig vor den Einsatzkräften. Nicht alle Anforderungen waren umsetzbar - aber die Welt dreht sich weiter - die gestiegenen Anforderungen auch !
Vorbereitung
Im Vorfeld der Fahrzeugauslieferung hatte sich die Stützpunktfeuerwehr und die Ortsfeuerwehrführung mit einer elementaren Grundfrage auseinandergesetzt: Wie schaffen wir es, geregelt und maximal strukturiert die Einsatzkräfte zeitnah auf das kommende, neue Fahrzeug auszubilden ? Die Lösung war ein ausgeklügelter Ausbildungsplan, welcher neben eingewiesenen Ausbildern alle 65 Einsatzkräfte umfasste. Dabei waren Kriterien wie Tagesverfügbarkeit, Aufgabe in der Ortsfeuerwehr und Dienstrang nur einige der Kriterien, wonach die Ausbildungsgruppen eingeteilt wurden.
Ausbildungsleiter Holger Bauer schuf einen Ausbildungsplan mit mehreren aufeinanderfolgenden Ausbildungsgruppen, welcher auch die Fahrerausbildung einbezog. Der Ausbildungsplan wurde ab Anfang Juni 2019 intensiv und wöchentlich auf dem Bauhofgelände in Hellendorf abgearbeitet, parallel lief die Fahrerausbildung aller Maschinisten auf der Straße.
Umgang
Von Anfang an wurde die neue Technik von allen Bissendofer Einsatzkräften angenommen. Einige Taktische Umstellungen wurden schon Monate vorher vorgenommen, so z.B. dass das alte Löschgruppenfahrzeug als Erstangriffsfahrzug definiert wurde - wie beim neuen HLF 20 Heute Standard. Der Umstieg auf die Einmannhaspel zeigte sich unproblematisch - auch der alltägliche Umgang mit dem Einsatzmittel bringt aktuell eher Freude. Gerade das Handling in kleinen und engen Wohnstraßen muss weiter im Auge behalten werden, dort sind die Herausforderungen am Größten.
Einweisungen
Die Einweisung und Ausbildung auf die neue Technik des HLF war zeitaufwendig, gut durchgeplant und kann für Bissendorf als optimal bezeichnet werden. Es wurden separate Einweisungsdienste angeboten. Die nötigen und bestens qualifizierten Ausbilder waren in der Wehr vorhanden und hatten Lust auf die Vermittlung von Wissen. Die 5 Ausbildungsgruppen nahmen an verschiedenen Terminen das gesamt Fahrzeug unter die Lupe. Die Ausbilder wurden speziellen Themen zugeordnet. Das Fahrzeug und Beladung, Heckpumpe, Schaumtank und deren Funktion, hydraulische Rettungsgeräte und Rettungsplattform sowie Fahrfunktionen und Fahrzeugaufbau mit Geräteräumen waren die einzelnen Spezialthemen, welche in den Einweisungsdiensten vermittelt wurden.
In den Wochen der Fahrzeug-Ausbildung kam der Fahrzeughersteller Walser mit seinem Fachpersonal in die Wedemark, um vor Ort die Heckpumpe und das Fahrzeug zu schulen. Die Hinweise, Tipps & Tricks der Fahrzeugprofis wurden von den Einsatzkräften regelrecht aufgesaugt und gleich an einem Praxisnachmittag auf dem Testgelände Bauhof getestet.
Auch der Fahrzeughersteller MAN ließ es sich nicht nehmen die Allrad Fahrzeuge direkt vor Ort zu schulen. In einer Kieskuhle wurden die Fahrzeuge im Gelände gefordert. Steigung, Bergabfahrten, Sperren und Besonderheiten der Fahrzeuge wurde durch qualifizierte Trainer vermittelt. Am Ende des Ausbildungstages waren die anwesenden Fahrer bestens für den Geländeeinsatz gerüstet.
Nach fast genau vier Wochen waren 75 % der aktiven Bissendorfer Einsatzkräfte auf das HLF 20 eingewiesen und ausgebildet. Von diesem Moment an ging die Ausbildung aus dem Projektstatus in den Linienbetrieb der Strandortausbildung in Bissendorf über, sodass auch in den normalen monatlichen Ausbildungstrainings der Stützpunktwehr HLF Themen aufgenommen wurden.
Erfahrungen
Was besonders auffiel, waren die vier Atemschutzgeräte in der Gruppenkabine - eine Neuerung in Bissendorf. Die Sitze waren versetzt in der Kabine angeordnet - alle Einsatzkräfte mußten sich in den ersten Wochen darauf einstellen. Alles wirkte enger in der Kabine. Auch in den monatlichen Atemschutztrainings wurde ausrüsten und anlegen intensiv beübt - eine mehr als sinnvolle Aktivität. Das einsteigen in das hohe Fahrzeug, mit ausfahrbaren Trittstufen, war gewöhnungsbedürftig genauso wie die Gewöhnung an die einzelnen Themen in den Gerätefächern : TH Verkehrsunfall und Werkzeug (G1), Wasser und Pumpen (G3), Brandbekämpfung (G5), Schaum und Kleinlöschgerät (G6), Atemschutzzubehör(G4) und Aggregate/Strom (G2) waren zu lernen - machten aber bisher keinerlei Probleme.
Das Fahrzeug kam in den ersten Monaten öfters zur Wartung. Türen, Software, eine Mängelliste wurde abgearbeitet - bei neuen Fahrzeugen insgesamt keine Überraschung. Grundsatz: Kein Fahrzeug ohne Fehler - welche aber von Walser nachgearbeitet wurden. Auch die Temperatur in der Gruppenkabine fiel auf, stieg diese doch bei längeren Fahrten merkbar an.
Fahrerausbildung
Ein Team von erfahrenen Fahrausbildern, rund um den Gerätewart Timo Wille, nahm sich alle identifizierten LKW Fahrer der Wehr zur Ausbildung vor. Die Liste der Fahrer in Bissendorf war mit über 30 Personen herausfordernd. Jeder Fahrer sollte HLF, Aggregate und Pumpe kennenlernen und natürlich das Fahrzeug sicher durch den Straßenverkehr lenken können. In unzähligen Stunden wurden die Fahrer eingewiesen, bei Fahrten auf Sicherheit und Handling geachtet - das Fahrzeug machte im Juni/Juli 2019 derweil so einige Kilometer.
Öffentlichkeit
Die Fahrzeuge wurden nach der Bestellung von allen beteiligten Wehren erwartet. Einige "Wasserstände" zu Rohbaubesprechungen und Fahrzeugabnahme wurden durch den Ortsbrandmeister Bissendorf kommuniziert, aber erst mit dem 31.05.2019 konnten auch die Ortsfeuerwehren (mit den Einsatzkräften) die Fahrzeuge nutzen. In den sozialen Medien machte die Gemeinde Wedemark einige Kurzberichte, welche von Aktiven konsumiert und verbreitet wurden. Die Erwartungshaltung war groß.
Die offizielle Fahrzeugübergabe im Juni 2019 fand fiel Anklang bei der Mannschaft, da Gemendefeuerwehrführung und Gemeinde Wedemark zu einer Veranstaltung geladen hatten. Bei lockerem Come Together und Imbiss am Rathaus wurde die feierliche Übergabe aller vier Fahrzeuge mit Gästen vollzogen - die Fahrzeuge folgend durch Kirchenvertreter gesegnet. Die auffälligere Lackierung lässt seitdem die Einwohner der Wedemark auf die neuen Fahrzeuge aufmerksam werden - der bundesweite Bericht des Feuerwehr Magazins im Oktober 2019 tut seinen Teil zur Wahrnehmung hinzu. Da insgesamt vier Fahrzeuge bestellt wurden, konnte mit einem bundesweiten Interesse gerechnet werden - man wird sehen welche weiteren Erfahrungen in/ mit der Öffentlichkeit gemacht werden.
Die ausgewählten und hier gezeigten Fotos des Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeugs HLF 20 Bissendorf (Wedemark) zeigen die nicht auf den ersten Look sichtbaren Facetten des Fahrzeugs - ganz bewusst ausgewählt.
© Bild,Text: Holger Bauer